06 November 2006

ein verlängertes Wochenende

Noch bin ich euch den Beweis schuldig geblieben, dass es nicht bei den paar Zentimetern geblieben ist. Das möchte ich hiermit nachreichen. Zwar sind die beiden Bilder schon vom Dienstagabend, wir hatten eine grandiose mitternächtliche Schneeballschlacht mit ungefähr 30 Bewohnern dieses Studentenheimes, doch sieht es draußen (mittlerweile wieder) genauso aus. Das zweite Bild ist der verschneite Blick aus meinem Fenster.

Heute war bei mir frei. Fast hätte ich gedacht, die feiern hier die Oktoberrevolution noch immer, dieser Feiertag war jedoch der 7. November (aufgrund der unterschiedlichen Kalender war die Oktoberrevolution in unserem November). Doch wurde vor einem Jahr dieser Feiertag abgeschafft und stattdessen ein neuer eingeführt. Am 4. November wird nun der „nationalen Einheit“ gedacht. Es musste weit in den Geschichtsbüchern geblättert werden um diesen „denkwürdigen“ Tag zu entdecken. Doch wurde 1612 Moskau von der polnischen Besatzung wieder befreit, was nun wohl auch wieder die Russen wissen dürften, und somit haben sie einen Ersatzfeiertag im November gefunden.

Dieser wird hier von einigen Rechten auch als Gelegenheit genutzt gegen alle Ausländer zu hetzen und zu marschieren. In Moskau gingen 3000, St. Petersburg 300 auf die Straße. Nennenswerte Gegendemonstrationen gab es nicht. Ob aus Angst oder Desinteresse, ich weiß es nicht.

Nun muss ich aber noch erklären, warum denn der 6. November frei war, wenn doch am 4. November der Feiertag sein sollte. Das liegt daran, dass laut russischem Gesetz Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, am kommenden Montag „nachgeholt“ werden. So etwas hätte ich auch gerne in Deutschland!

Es ging also heute nach Vyborg, einer kleinen Stadt etwa 120 km nördlich von St. Petersburg. Sie war lange Zeit finnisch, was man am Baustil noch erkennen mag. Die Fahrt dorthin verbrachten wir in einem Vorortzug, drinnen kaum wärmer als draußen. Je nördlicher wir kamen, desto höher wurde der Schnee. Und auch die Temperatur nahm noch um einige Grade ab. Wie kalt es nun genau war vermag ich nicht zu sagen, doch das Thermo- meter hier in St. Petersburg hat heute -9° angezeigt. Den ganzen Tag über hat es zudem geschneit. So beschlossen wir schließlich die Rückfahrt mit einem Bus zu wagen. Der ist zwar etwas teurer (5 statt 1,80 €), doch wesentlich bequemer und wärmer. Leider brauchte auch er zweieinhalb Stunden für die Strecke.

Die beiden weiteren Fotos zweigen zwei Gebäude in Vyborg, man achte auf die wenigen und kleinen Eiszapfen. Wir haben uns bei diesem Anblick heute gefragt, ob jährlich mehr Leute durch Eiszapfen oder Kokosnüsse erschlagen werden...

Berichten möchte ich euch noch von einem unfreiwilligen nächtlichen Spaziergang durch das nördliche St. Petersburg. Auf meinem Weg nach Hause wollte ich die Strecke mit der Metro durch die Innenstadt sparen (alle Metros gehen durch das Zentrum und Umsteigen ist nur hier möglich), da ich bereits im Norden der Stadt und somit im Grunde nicht so weit von meinem Wohnheim entfernt war. Mein Stadtplan zeigte mir eine mögliche Tram- und eine mögliche Trolleybusverbindung zu mir. Also wartete ich. Nach zwanzig Minuten kam endlich meine Straßenbahn, doch nahm sie mich nur vier Stationen weit mit. Dann erklärte mir der Fahrer, dessen einziger Fahrgast ich war, dass er nun hier ins Depot fährt, da irgendwo, ein paar Straßen weiter, an der Strecke repariert werden würde. Toll. Mitten im Nichts. Ich musste erstmal einige Zeit gehen bis ich zu einer weiteren, für mich möglichen Haltestelle eines Busses kam. Bei diesem Spaziergang kam ich an einem verlassenen, halb verfallenen Haus vorbei. In diesem, die Fensterscheiben waren schon zum Großteil durch Pappe ersetzt, hielten sich zwei alte Frauen auf, schwer damit beschäftigt weitere Pappe in das Haus zu tragen. Ich denke das Obdachlosenleben hier in St. Petersburg wird noch um einiges härter sein als in Hamburg. Auch wenn ich bisher keine in Hauseingängen schlafenden Personen gesehen habe, so wird es in diesen Ruinen nicht viel angenehmer sein. Reines Betteln kommt hier jedoch etwas seltener vor als bei uns. So frage ich mich, woher die ärmsten der Armen hier ihr Geld für Essen bekommen?

Schließlich kam mein Bus, riss mich aus meinen Gedanken und Überlegungen und brachte mich zurück in mein warmes Zimmer.

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